Anfechtbarkeit eines Beschlusses bei Nichterreichen einer Mehrheit im Rahmen einer vereinbarten Öffnungsklausel

von | Donnerstag, 17.04.2014 | WEG-Recht, Wohnungseigentumsrecht

Das Nichterreichen eines Quorums im Rahmen einer vereinbarten Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung führt nur zur Anfechtbarkeit eines vom Verwalter gleichwohl festgestellten Mehrheitsbeschlusses, nicht zu dessen Nichtigkeit. Dies hat das Landgericht München I in seinem Urteil vom 13.01.2014 – 1 S 1817/13 WEG (AG München), entschieden.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger wendet sich gegen einen Eigentümerbeschluss, durch den der Kostenverteilungsschlüssel der Gemeinschaft geändert wurde. Nach einer Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung ist deren Änderung mit 4/5 aller vorhandenen Stimmen möglich. Obwohl diese Mehrheit nicht erreicht wurde, verkündete der Versammlungsleiter gleichwohl ein positives Beschlussergebnis. Der Kläger hat den Beschluss nicht innerhalb der Frist des § 46 WEG angefochten.

Das Landgericht München I hat entschieden, dass der Kläger wegen der Versäumung der Anfechtungsfrist nur die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses verlangen kann und hat weiter entschieden, dass der angefochtene Beschluss nur anfechtbar, nicht aber nichtig ist. Soweit allein das erforderliche Quorum nicht erreicht wurde, der Versammlungsleiter jedoch dennoch einen positiven Beschluss verkündet hat, führt dies nur zur Anfechtbarkeit, nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses. Dies gelte auch im Rahmen vereinbarter Öffnungsklauseln. Hierfür spricht nach Auffassung des Gerichts, dass nach der ganz herrschenden Meinung die unrichtige Verkündung eines Beschlussergebnisses auch sonst regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit des betreffenden Beschlusses führt. Nach der Gegenauffassung sei hingegen die durch Vereinbarung eingeräumte Beschlussmacht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, so dass mit deren Verfehlen die Beschlusskompetenz entfallen müsse. Dem schloss sich das Gericht nicht an.

Allerdings sei zur Klärung der Frage, welche Folgen das Nichterreichen des Quorums hat, zunächst die konkrete Fassung der Öffnungsklausel zu betrachten. Da sich die Wohnungseigentümer im Vereinbarungswege eine Beschlussmacht verleihen können, könnten sie auch festlegen, dass Folge eines Verstoßes die Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses sein soll. Doch führe allein der Umstand, dass die Öffnungsklausel – wie vorliegend – ein bestimmtes Mehrheitserfordernis aufstellt und damit ein gewisser Bestandsschutz der bestehenden Regelungen erreicht werden soll, nicht dazu, dass die Beschlusskompetenz als solche bereits an das Erreichen des Quorums geknüpft wäre. Dies zeige ein Vergleich mit anderen Fällen einer fehlerhaften Beschlussverkündung trotz Nichterreichens eines bestimmten Mehrheitserfordernisses: So seien Beschlüsse einer beschlussunfähigen Wohnungseigentümerversammlung nur anfechtbar. Gleiches gelte, wenn bei der Beschlussfassung gemäß § 16 IV 2 WEG die erforderliche Stimmenzahl nicht erreicht wird. Ein gleichwohl gefasster Mehrheitsbeschluss sei wirksam, aber anfechtbar. Auch im Rahmen einer Beschlussfassung gem. § 22 I WEG wirke der Umstand, dass eine bauliche Veränderung beschlossen werden sollen, die benötigte Stimmenzahl jedoch nicht erreicht wird, nicht kompetenzbegründend.

Diese Grundsätze müssten auch im Rahmen vereinbarter Öffnungsklauseln Geltung finden. Es könne nicht angenommen werden, dass anders als in den beschriebenen Fällen einer fehlerhaften Beschlussverkündung im Fall des Nichterreichens des Quorums bei einer vereinbarten Öffnungsklausel der Beschluss nichtig und nicht lediglich anfechtbar sein soll. Die Interessenlage sei der der gesetzlichen Mehrheitserfordernisse durchaus vergleichbar. Die gegenteilige Auffassung lasse sich insbesondere nicht allein damit begründen, der Zweck des Quorums liege darin, dass aufgrund der besonderen Bedeutung von Änderungen der Gemeinschaftsordnung für die Wohnungseigentümer eine Änderung nur erfolgen solle, wenn dies dem Willen der überwiegenden Mehrheit der Wohnungseigentümer entspricht. Der Bedeutung solcher Entscheidungen werde hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass bestimmte Mehrheitserfordernisse gewahrt sein müssen, damit der Beschluss zustande kommt.

Die Auslegung eines qualifizierten Mehrheitserfordernisses im Rahmen einer vereinbarten Öffnungsklausel als Gültigkeits- jedoch nicht als Beschlussexistenzvoraussetzung führe auch nicht zu untragbaren Ergebnissen. Die Wohnungseigentümer könnten die Einhaltung der Voraussetzungen, unter denen von der durch die vereinbarte Öffnungsklausel eingeräumten Beschlussmacht Gebrauch gemacht werden kann, hinreichend durch die Erhebung einer entsprechenden Anfechtungsklage sicherstellen. Zudem dient diese Auslegung auch der Rechtssicherheit der Wohnungseigentümer, die darauf vertrauen können, dass Beschlüsse nach dem Ablauf der Anfechtungsfrist rechtskräftig werden.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass bei Errichtung der vorliegenden Teilungserklärung die Regelungen der §§ 16 III und IV WEG noch nicht geschaffen waren. Bereits nach früherem Recht sollten Beschlüsse, die aufgrund einer Öffnungsklausel ergingen, bei denen aber das Quorum nicht erreicht wurde, bei fehlender Beschlussanfechtung bestandskräftig werden (BGH, Beschluss vom 16.09.1994 – V ZB 2/93, NJW 1994, 2330). Das LG München I überträgt diese Rechtsprechung nunmehr auf die aktuelle Rechtslage. Da die Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, hat das LG München I die Revision zugelassen.

Für die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung spricht auch, dass auch andere Verstöße gegen in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Voraussetzungen der Beschlussfassung in Eigentümerversammlungen nur zur Anfechtbarkeit, nicht zur Nichtigkeit hiergegen verstoßender Beschlüsse führen. So ist etwa nach der Rechtsprechung des BGH eine in der Teilungserklärung enthaltene Bestimmung, wonach zur Gültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung die Protokollierung des Beschlusses erforderlich und das Protokoll von einem oder mehreren Wohnungseigentümern zu unterzeichnen ist, zwar wirksam; ein Verstoß hiergegen macht gefasste Beschlüsse aber lediglich anfechtbar (BGH, Beschluss vom 03.07.1997 – V ZB 2/97, NJW 1997, 2956; Urteil vom 30.03.2012 − V ZR 178/11, NJW 2012, 2512).