Errichtung einer Mobilfunksendeanlage auf dem Haus einer Wohnungseigentümergemeinschaft

von | Samstag, 29.03.2014 | Mietrecht, WEG-Recht, Wohnraummietrecht, Wohnungseigentumsrecht

Die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage auf dem Haus einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedarf als bauliche Veränderung der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 24.01.2014 – V ZR 48/13 (LG Bamberg) entschieden.

In dem entschiedenen Fall hatten die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft im Jahr 2010 mehrheitlich den Beschluss gefasst, einem Unternehmen die Aufstellung und den Betrieb einer Mobilfunksendeanlage auf dem Dach der Wohnungseigentumsanlage zu gestatten. Die Klägerin – ebenfalls Wohnungseigentümerin – war damit nicht einverstanden. Der von ihr gegen den Beschluss erhobenen Anfechtungsklage haben beide Vorinstanzen mit der Begründung stattgegeben, die Anbringung der Mobilfunkanlage sei eine bauliche Veränderung, die nach § 22 WEG I i.V.m § 14 Nr. 1 WEG der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedurft hätte.

Der BGH hat die Urteile bestätigt. Nach Auffassung des BGH wäre die Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer erforderlich gewesen, da auf der Grundlage des allgemeinkundigen wissenschaftlichen Streits um die von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Gefahren durch Strahlung und der daraus resultierenden Befürchtungen zumindest die ernsthafte Möglichkeit einer Minderung des Miet- oder Verkaufswerts von Eigentumswohnungen bestehe, was nach dem BGH eine Beeinträchtigung darstelle, die ein verständiger Wohnungseigentümer nicht zustimmungslos hinnehmen müsse, § 22 I WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG.

Eine andere Beurteilung ist nach dem BGH auch nicht mit Blick auf § 906 I 2 BGB geboten. Danach bestehe zwar im Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer eine Vermutung dafür, dass bestimmte Einwirkungen, zu denen auch Strahlenimmisionen gehören, unwesentlich und daher hinzunehmen sind, wenn die einschlägigen Grenz- und Richtwerte eingehalten werden. Nicht aber regele die Norm den Konflikt unter Wohnungseigentümern darüber, wie mit dem Gemeinschaftseigentum umgegangen werden soll und ob hierzu bauliche Veränderungen mit all ihren Vorzügen und Nachteilen vorgenommen werden sollen. Der Rückgriff von § 22 I WEG auf den Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG solle sicherstellen, dass das Recht jedes Wohnungseigentümers, auf Entscheidungen über bauliche Veränderungen durch das Zustimmungserfordernis maßgebend Einfluss zu nehmen, § 903 BGB, grundsätzlich gewahrt bleibt. In diese Befugnis dürfe nur eingegriffen werden, soweit Wohnungseigentümer von der Maßnahme gar nicht oder nur ganz geringfügig betroffen sind. Für die Konkretisierung dieser spezifisch wohnungseigentumsrechtlichen Geringfügigkeit lieferten die in § 906 I 2 BGB genannten immissionsrechtlichen Grenz- und Richtwerte keinen brauchbaren Maßstab. Das gelte umso mehr, als das Zusammenleben in einer Wohnungseigentumsanlage – auch bei Entscheidungen über bauliche Veränderungen – ein stärkeres Maß an Rücksichtnahme verlangt.

Als Konsequenz aus dieser Entscheidung ist zu beachten, dass die von einer Mobilfunkanlage ausgehenden Emissionen in aller Regel keine Mietminderung rechtfertigen. Maßgebend für die Frage, ob die Wohnung die vertragsgemäße Beschaffenheit aufweist, sind in erster Linie die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Haben die Parteien keine Vereinbarung getroffen haben, die es dem Vermieter untersagt, auf seinem Hausgrundstück einem Dritten den Betrieb einer Mobilfunksendeanlage zu gestatten, und fehlt eine vertragliche Vereinbarung über die Beschaffenheit der gemieteten Wohnung – wozu auch Einwirkungen durch Immissionen gehören –, schuldet der Vermieter die Einhaltung der einschlägigen technischen Normen (BGH, Urteil vom 06.10.2004 – VIII ZR 355/03, NJW 2005, 218). Deshalb ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass eine Mietwohnung keinen Sachmangel i.S.v. § 536 BGB aufweist, wenn eine in der Nähe gelegene Mobilfunksendeanlage die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Felder nicht überschreitet (BGH, Urteil vom 13.02.2004 – V ZR 217/03, NJW 2004, 1317; Urteil vom 15.03.2006 – VIII ZR 74/05, NJW-RR 2006, 879; Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Aufl., § 536 Rz. 30; a.A. Kniep/Gratzel WuM 2009, 383).

Einen Mangel der Mietwohnung stellt es auch nicht dar, dass die Mieter dem „Restrisiko” einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt sind. Zwar kann nach der Verkehrsanschauung ggf. bereits die begründete Besorgnis einer Gesundheitsgefahr die Gebrauchstauglichkeit der Mieträume zu Wohnzwecken beeinträchtigen (OLG Hamm, Urteil vom 13.02.2002 – 30 U 20/01, NZM 2003, 395; BayObLG, Rechtsentscheid vom 04.08.1999 – RE-Miet 6/98, NZM 1999, 899; Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 536 Rz. 8, 12). Dass die Gesundheit der Mieter durch den Betrieb von Mobilfunksendeanlagen (konkret) gefährdet wird, lässt sich den bislang vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen allerdings nicht entnehmen. Allein die – möglicherweise sogar nachvollziehbare – Furcht des Mieters vor Gesundheitsgefährdung durch „Elektrosmog” stellt keinen eine Minderung rechtfertigenden Mangel der Mietsache dar (a.A. AG München, Urteil vom 27.03.1998 – 432 C 7381/95, WuM 1999, 111).

Maßgeblich ist die Einhaltung der in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte. Diese legen für das nationale Recht fest, ab wann vom Vorliegen konkreter Gesundheitsgefahren auszugehen ist; solange der Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf sieht und keine naturwissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse darüber bestehen, dass die Grenzwerte zu hoch angesetzt sind, sind sie verbindlich. Dass die wissenschaftliche Diskussion über die von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Gefahren noch nicht abgeschlossen ist, rechtfertigt keinen anderen Beurteilungsmaßstab (a.A. AG Hamburg-Harburg, Urteil vom 08.01.2007 – 644 C 334/05, WuM 2007, 621). Die vom Verordnungsgeber in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte beruhen auf den übereinstimmenden Empfehlungen internationaler und nationaler Sachverständigengremien, u.a. der Strahlenschutzkommission, die sich an nachweisbaren Gesundheitsgefahren orientieren. Der Verordnungsgeber hat weiter gehende Schutzmaßnahmen abgelehnt, weil sie sich nicht auf verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse stützen können (BGH, Urteil vom 13.02.2004, a.a.O.).