Sanierungspflicht am gemeinschaftlichen Eigentum einer WEG

von | Freitag, 31.10.2014 | Allgemein, Immobilien, WEG-Recht, Wohnungseigentumsrecht

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 17.10.2014 – V ZR 9/14) hat entschieden, dass ein einzelner Wohnungseigentümer die Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen kann, wenn diese zwingend erforderlich ist und sofort erfolgen muss, weil dann für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer kein Raum ist. Verzögern Wohnungseigentümer eine diesbezügliche Beschlussfassung schuldhaft, können sie sich schadensersatzpflichtig machen.

In dem entschiedenen Fall bestand die Wohnungseigentümergemeinschaft zunächst aus zwei Einheiten im Erd- und Dachgeschoss eines Hauses. Der Rechtsvorgänger der Klägerin baute seine Kellerräume nachträglich aus. Diese Räume bilden seit einer Teilungserklärung aus dem Jahr 1996 eine dritte Sondereigentumseinheit. Sämtliche Wohneinheiten wurden später veräußert. Die Beklagten sind die jetzigen Eigentümer der Wohnungen im Erd- und Dachgeschoss. Die Klägerin erwarb die im Keller gelegene Wohnung im Jahr 2002 unter Ausschluss der Sachmängelhaftung zu einem Kaufpreis von 85.000 Euro. Die Wohnung weist seit dem Jahr 2008 einen Feuchtigkeitsschaden auf und ist inzwischen unbewohnbar. Ursache hierfür sind in erster Linie Planungsfehler beim Umbau der Keller- in Wohnräume und damit verbundene Baumängel, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen.

Das Amtsgericht Andernach – Urteil vom 28.11.2012 – 60 C 598/10 WEG – hat die Beklagten dem Antrag der Klägerin entsprechend verurteilt, der anteiligen Aufbringung der Kosten für die Sanierung der Kellergeschosswohnung durch die Wohnungseigentümer und (zu diesem Zweck) der Bildung einer Sonderumlage von rund 54.500 Euro zuzustimmen sowie Schadensersatz aufgrund der verzögerten Renovierung der Kellergeschosswohnung zu zahlen. Ferner hat es die Pflicht der Beklagten zum Ersatz künftiger Schäden der Klägerin festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es war der Ansicht, die Kostenbelastung überschreite die «Opfergrenze» der alten und finanzschwachen Beklagten, deren Wohneinheiten auch ohne die begehrte Sanierung nutzbar seien.

Der BGH hat dieses Urteil des Landgerichts aufgehoben auf und entschieden, dass die Klägerin sowohl die Zustimmung zu der anteiligen Kostentragung, als auch zur Bildung der Sonderumlage verlangen könne. Jeder Wohnungseigentümer könne die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums beanspruchen. Allerdings hätten die Wohnungseigentümer insoweit einen Gestaltungsspielraum; sie müssten das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb seien sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen gegebenenfalls zurückzustellen.

Anders liege es aber dann, wenn – wie hier – die sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich ist. Denn infolge der sanierungsbedürftigen Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum sei die Wohnung der Klägerin unbewohnbar. Für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer sei in solchen Fallkonstellationen kein Raum. Dies liefe der notwendigen Erhaltung von Wohnungseigentumsanlagen zuwider. Zudem müsste die Klägerin die Lasten des Wohnungseigentums tragen, obwohl sie es dauerhaft nicht nutzen könnte. Die Wohnungseigentümer müssten anteilig für die Sanierungskosten aufkommen, selbst wenn sie in erster Linie der Kellergeschosswohnung zugutekomme.

Im Hinblick auf die Schadensersatzansprüche hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Eine Ersatzpflicht der Wohnungseigentümer komme aber für solche Schäden an dem Sondereigentum in Betracht, die dadurch entstanden seien, dass die gebotene Beschlussfassung über die Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen unterblieben sei. Eine Haftung könne diejenigen Wohnungseigentümer treffen, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.